15.12.2017rss_feed

Jetzt den Einsatz von Antibiotika reduzieren! – Aber wie?

Der Einsatz von Antibiotika zur Behandlung akuter bakterieller Infektionen im Schweinebestand ist eine wichtige Säule bei der Bekämpfung von Infektionskranheiten in unseren Schweinebeständen. Allerdings findet diese Maßnahme im Licht der Öffentlichkeit zunehmend weniger Akzeptanz, was sich in Maßnahmenkatalogen sowohl der Regierung als auch von Privaten Organisationen (QS) zur Reduzierung des Einsatzes von Antibiotika in der Tierhaltung wiederspiegelt. Die antibiotische Behandlung von Tieren und auch Tiergruppen, die an bakteriellen Infektionen leiden muß jedoch allein schon aus Gründen des Tierschutzes auch weiter möglich bleiben. Nichts desto trotz sind zur Zeit alle agierenden gefordert den Einsatz von Antibiotika zu reduzieren. Doch wie soll das in den Betrieben umgesetzt werden, welche Möglichkeiten bieten sich dem Tierarzt und Betriebsleiter den Einsatz zurückzufahren?

Zunächst einmal fußt die Bekämpfung und Kontrolle von Infektionskrankheiten in Tierbeständen auf drei Säulen (siehe Tabelle 1).

Tab. 1: Systeme der Krankheitsvorbeuge- und Bekämpfung und die Bedeutung für Umwelt- und Verbraucherschutz

a-biotisches System Anti-biotisches System Biotisches System
Management

Pig-Flow

Reinigung u. Desinfektion
Antibiotika

und

Chemotherapeutika
Impfstoffe und

Sera
Rückstände im Waschwasser Rückstände

Resistenzen
Keine Rückstände

Keine Resistenzen

Will man nun das Anti-biotische System weiter zurückfahren, so kann dies nur erfolgen, wenn man die beiden anderen Systeme intensiviert. Im Bereich der Impfstoffe hat es in den letzten Jahren deutliche Entwicklungen hin zu mehr Ferkel-Impfungen gegeben und insbesondere die flächendeckende Einführung der Circo-Impfung hat dazu geführt, das ein deutlicher Rückgang bei den antibiotischen Behandlungen insbesondere in der Schweinemast zu verzeichnen ist. Allerdings ist in diesem Bereich die Schmerzgrenze bei den Kosten für Impfmaßnahmen bei vielen Ferkelerzeugern und Mästern erreicht.

Es bleibt also letztendlich neben dem Zukauf von hochgesunden Tieren, deren Status über vernünftige Monitoringprogramme abgesichert ist, nur die Verbesserung des Managements und des Pig-Flow in den Betrieben.

Untersuchungen aus den Niederlanden (Sterksel) zeigen, das es möglich ist über gezielte Anpassungen im Management und Pig-Flow die Leistungen der Herde zu verbessern und gleichzeitig den Gebrauch von Antibiotika enorm zu reduzieren. In Sterksel wurden die Würfe bis zur Schlachtung zusammengehalten und sowohl in der Ferkelaufzucht , als auch Mast mit Kleingruppen (1-2 Würfe / Bucht) gearbeitet. Materialien wie Treibbretter, Schaufeln, Besen, Futterschalen… wurden farblich gekennzeichnet um auch an Ihrem eigentlichen Bestimmungsort im Stall zu bleiben. Ein Wurfausgleich wurde nur zwischen 24 und 48 Stunden nach Geburt durchgeführt, danach Wurden Würfe nicht mehr gemischt. Es wurden Risikoabteile für Ammensauen und ihre Ferkel eingerichtet. Die Abferkelgruppen wurden mit farbigen Ohrmarken gekennzeichnet. In der Ferkelaufzucht und Mast wurden jweils nach zwei Buchten die Buchtenabtrennungen geschlossen, so das kein Nasen- bzw. Kotkontakt mehr stattfinden konnte.

Nun stellt sich die Frage: Was bringt das?

Die Verbesserung der Leistung und die Minimierung des Antibiotikaeinsatzes sind in Tab. 2 dargestellt.


Tab. 2: Verbesserung der Leistung und minimierung des Antibiotikaeinsatzes in Sterksel nach Änderung des Pig-Flow

AB-Behandlung

Aber auch wenn ich z.B. aus Verkaufs- bzw Zukaufstechnischen Gründen nicht die Möglichkeit habe den Pig Flow komplett umzustellen so ergeben sich doch auch in bestehenden Systeme Möglichkeiten zur Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes.

So sollten z.B. bei der Aufstallung sind die Zeiten des erst einmal Überbelegens vorbei sein. Das nach ein paar Wochen wieder auseinander sortieren der Ferkel führt zu zusätzlichem Streß und kann Krankheitsgeschehen auslösen. Bei Aufstallung sollten die Ferkel entsprechend ihrer Größe bereits in die Buchten sortiert werden in denen sie auch aufgezogen / gemästet werden. Eine Bucht bleibt allerdings frei. Hier hinein kommen binnen der ersten zwei Wochen die schwächsten Tiere aus den anderen Gruppen. Treten immer wieder Probleme mit der Gesundheit der Tiere auf, so ist es sinnvoll den Ferkeln mehr Platz zu geben, sprich den Streß zu reduzieren. Dann bleibt man deutlich unter den Gesetzlichen Anforderungen der Belegdichte. Als Faustregel gilt: Bei massiven Problemen (Verluste im Bereich 10% und höher) ist die Belegdichte um 5-10% zu reduzieren.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Homogenität der Aufgestallten Gruppe. Gemeint ist hierbei allerdings nicht nur die Homogenität im Gewicht sondern auch im Alter. Verschiedene Erzeugergemeinschaften lassen deshalb ihre Ferkelerzeuger die Ferkel entsprechend der Abferkelgruppe mit farbigen Ohrmarken kennzeichnen, so hat der Aufzüchter / Mäster die Möglichkeit jüngere Tiere zu erkennen, gesondert aufzustallen und z.B. länger das Aufzuchtfutter 1 zu füttern.

Damit sind wir direkt bei der Fütterung. Wichtig für den Erfolg im Stall ist eine an das Ferkel angepasste Fütterung. Optimaler weise sollte das Ferkel das Futter bei Aufstallung bereits kennen, damit es schnell ans Futter geht. Futter die für Ferkel geeignet sind haben zur Coli-Prophylaxe heute in der Regel eine Ausstattung mit verschiedenen Säuren (gekapselt / ungekapselt). Auf diese Säureausstattung sollte auch beim Eigenmischer nicht verzichtet werden. Auch eine gute Ausstattung mit Vitaminen, insbesondere Vitamin E ist wichtig, da die Ferkel in Streß- und Krankheitsphasen einen erhöhten Vitaminbedarf haben. Im Einzelfall kann es sinnvoll sein mit Berater, Tierarzt und Hersteller über eine Anpassung von Säureausstattung und Vitamingehalt der Futter zu diskutieren. Problematisch ist ggf. auch für das Fütterungssystem. Kommen Ferkel aus einem Aufzuchtstall mit Flüssigfütterung und sollen dann in der Mast an einen Breiautomaten, so sind Streß und Probleme vorprogrammiert. Da Ferkel an der Sau einen Einzelfressplatz haben, sind sie es gewohnt alle gleichzeitig zu fressen. In der Aufzucht müssen sie sich dann um die vom Fütterungssystem vorgegebenen Fressplätze streiten. Sinnvoll ist hie das zusätzliche Anbieten von weiteren Fressplätzen für die ersten ein bis zwei Wochen. Das nächste Problem ist die Aus- / Einstalltemperatur. Auch hier ist es wichtig dem Ferkel den Übergang so einfach wie möglich zu machen. Besonderes Augenmerk sollte dabei auf die Spaltentemperatur gelegt werden denn: Ein Ferkel braucht einen warmen Bauch und eine kühle Nase. Bei jeder Aufstallung sollte über ein Infrarotthermometer (ca. 60- 100 €) die Spaltentemperatur überprüft werden. So können dann die Vorwärmzeiten des Stalles angepasst werden. Treten auch bei unterschiedlichen Herkünften immer wieder Atemwegsinfektionen auf oder ist die Luft im Abteil stickig, so sollte die Lüftung durch einen unabhängigen Fachmann überprüft werden.

Ein Wort zum Wasser. Grundsätzlich sollte die Qualität des Wassers so sein, das Sie es selber trinken würden. Der Teufel liegt hierbei jedoch häufig im Detail, das heißt nicht im Brunnen, sondern in der Leitung. Wasserleitungen, insbesondere solche durch die auch Säuren oder Medikamente verabreicht werden, bauen einen Biofilm im Inneren auf, der von Zeit zu Zeit entfernt werden muß (Zeitliche Richtwerte sind hier schwierig anzugeben da der Aufbau des Biofilms von System abhängt). Hierzu eignen sich insbesondere Chlorverbindungen. Ein weiterer Punkt zum Wasser ist das Standwasser in der Leitung. Es empfieht sich alle Tränken im Stall vor Belegung so lange laufen zu lassen bis richtig kaltes Wasser kommt. Dieses Standwasser in den Leitungen ist nämlich durch die Rückwärtsverkeimung vom Nippel aus meist mit einer großen Anzahl an Erregern belastet, die die Ferkel ansonsten direkt als Begrüßungsschluck bekommen würden. Beim Tränkesystem gilt das gleiche wie bei der Fütterung es muß an die Ferkel angepasst sein. Tränken sollten für je 10 Tiere und in verschiedenen Höhen eingebaut sein. Auch empfiehlt es sich neben den klassischen Nippeltränken auch eine Schalentränke zu installieren, da einige Ferkel dieses Tränkesystem deutlich besser annehmen. Eine solche Schalentränke sollte jedoch täglich gereinigt werden.

Treten vermehrt Verluste oder Kümmern im Betrieb auf, so steht die Klärung der Ursache ganz am Anfang. Neben der sogenannten ätiologischen Diagnose, das heißt welche Erreger verursachen das Krankheitsbild steht die Untersuchung der oben genannten Co-Faktoren wie Stallklima, Belegdichte, Wasserversorgung, Futterqualität und –Zusammensetzung, Tier- Fressplatzverhältnis ganz oben an.


Steht fest welche Erreger und weitere Faktoren das Geschehen bestimmen so sind zum einen gezielte Maßnahmen gegen den oder die Erreger zu treffen, zum anderen die Co-Faktoren zu optimieren. Häufig erfordert dies eine Absprache mit dem Ferkelerzeuger, da ein Grossteil der Maßnahmen wie Impfungen oder z.B. die Reduktion des Streptokokkendrucks bereits in der Saugferkelphase erfolgen sollte. Dies ist bei den Impfungen besonders wichtig, denn bis auf wenige Ausnahmen und Ferkelerzeuger-Mäster- Beziehungen sollte die Impfung z.B. Mykoplasmen, PRRS oder Circo bereits in der Saugferkelphase abgeschlossen sein.

Erkranken Tiere oder ganze Gruppen während der Aufzucht oder Mastperiode so müssen sie natürlich behandelt werden. Wichtig ist hierbei, früh genug die Erkrankung zu erkennen und die mit dem Tierarzt besprochenen Maßnahmen einzuleiten. Tiere die nicht mehr Fressen saufen auch weniger und sollten auch wenn der Rest einer Gruppe über das Futter bzw. Wasser behandelt wird per Injektion behandelt werden. Tiere die keine Aussicht auf einen Heilungserfolg haben sollten frühzeitig gemerzt werden, das sie den Erregerdruck in einer Gruppe massiv erhöhen. In einen Krankenstall gehören nur Tiere die auch eine gute Aussicht auf Ausheilung haben. Der Krankenstall sollte mindesten 2-3 mal im Jahr geleert, gereinigt und desinfiziert werden.

 

Wir fassen zusammen:

Eine Reduzierung des Antibiotika-Einastzes in der Tierhaltung wird durch die Öffentlichkeit mit Nachdruck gefordert, Die Tierärzte und Tierhalter sind gefordert dieses umzusetzen. Im Bereich der Impfungen ist für viele Betriebsleiter bei den Kosten die Schmerzgrenze erreicht. Somit kann eine Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes nur über Verbesserungen im Bereich des Managements und des Pig Fow erzielt werden. Dabei sind neben dem Tierarzt auch die Stallbau- und Fütterungsberater und letztlich die Betriebsleiter gefragt. Denn nur sie können das Management in ihrem Betrieb verändern.


Einige Übersichtswerte

Ferkelaufzucht Mast
Belegung 1 Herkunft, geringe Altersspreizung, min. 0,4 m² 1 Herkunft, geringe Altersspreizung, min. 0,8 m²
Gesundheitsstatus / Impfprogramm bekannt bekannt
Aufstalltemperatur 26 – 30 º C 1º C höher als Flatdeckende
Fütterung Auf vorhergehendem Futter aufgebaut Auf vorhergehendem Futter aufgebaut
Futterausstattung Säure 0,5 – 1% Säure 0,5 – 1%
Vitaminisierung Vit E min. 100 mg/kg Futter Vit E min. 80 mg/kg Futter
Wasser Trinkwasserqualität Trinkwasserqualität
Tränken 1 Tränke / 10 Tiere, verschiedene Einbauhöhen, 0,7 -1 l /min. 1 Tränke / 10 Tiere, verschiedene Einbauhöhen,

1 -1,5 l /min.

Verfasser:

Dr. Hendrik Nienhoff